Magazin Wildwechsel

Nr. 131 September 1997

 

Absurder Rechtsstreit

ACH, WAS SIND DIE HESSEN NETT!

Sie haben ihre Büros in der selben Stadt, ja sogar in der selben Straße und sind beide im innovativen Wirtschaftsbereich Internet aktiv: HessenNet und Hessennetz aus Hofgeismar, Bahnhofstraße. Beide bieten ähnliche Leistungen an. "Was soll’s?", könnte man jetzt sagen, der freie Markt wird entscheiden. wer der Bessere ist. Aber das eben geht offenbar nicht, denn HessenNet droht jetzt Hessennetz mit einer Klage auf Unterlassung der Benutzung des Namens: "This town ain’t big enough for the both of us!" HGB und BGB werden herangezogen und dort steht, daß Namensähnlichkeiten von Unternehmen in einer Stadt nicht sein dürfen. Also: Weg mit Hessennetz! Oder doch nicht? So ein- fach, wie es sich die HessenNet Informationssystem GmbH vorstellt. wird es sicher nicht, denn sie hat übersehen, daß Hessennetz keine Firmenbezeichnung ist, sondern lediglich eine Service-Bezeichnung für die Internet-Dienste des Ingenieurbüros Thomas Drilling, der die Internet-Domain »www hessennetz.de« seit dem 5.3.97 aktiv betreibt; inzwischen erreicht man HessenNet unter www.hessennet.de. Im März hieß HessenNet aber noch »RegioNet«. Den Namen durfte man allerdings nicht behalten, weil er bereits für ein Unternehmen in Bad Hersfeld vergeben war. Offenbar wurde man aber nicht aus Schaden klug, sondern wählte erneut einen Namen, bei dem Verwechslungs-möglichkeiten vorprogrammiert waren. Die Firma hat die Namensähnlichkeit selbst geschaffen, die sie nun beklagt! Auch eine Anfechtung der Domain-Zuteilung dürfte kaum gelingen, da die Testseiten von »HessenNet« zuerst ab April dieses Jahres unter www.hessen-kommunal.de abgelegt waren und die öffentliche Präsentation zum Hessentag erfolgte. »Hessennetz« war hingegen schon seit März online. Einen interessanten Aspekt bekommt dieser Rechtsstreit noch durch die Tatsache, daß es noch einen dritten Mitbewerber gibt, der unter HessenNet (www.hessennet.com) die gleichen Dienste anbietet: die Firma Mobinet Netzwerksysteme aus Selters-Münster. Ob man eine weitere Klagedrohung erwar- ten darf? Das Pikante an dem ganzen Vorgang ist aber der Umstand, daB es sich bei HessenNet um ein vom Hessischen Wirtschaftsministerium gefördertes Modellprojekt handelt, dessen Gesellschafter u.a. das Kommunale Rechenzentrum Kassel, der Landkreis Kassel, mehrere nordhessische Kommunen (u.a. die Stadt Hofgeismar) und die Kasseler Sparkasse sind. Dieses hochgelobte Projekt, das bereits mehrfach in der lokalen Presse kostenlos für sich werben durfte und sich außerdem anschickt, den ganzen Bereich der Internet-Präsentationen der Kommunen und kommunalen Betriebe an sich zu ziehen, möchte natürlich nicht mit einem schlichten Einzelunternehmen verwechselt werden, zu dem es laut eigener Einschätzung "in Konkurrenz" steht. HessenNet wird massiv von öffentlichen Institutionen unterstützt. Den Politikern in Gemeinden und Kreis wurde das ursprünglich unter "Telehaus" firmierende Projekt unter der Maxime verkauft, die vorhandenen Informationen und Möglichkeiten der Region zu bündeln. Es war allerdings nie die Rede davon, daß dabei ein mächtiges Unternehmen mit Startvor- teilen gegenüber den aus eigener Kraft arbeitenden Unternehmen entstehen soll, das anderen das Leben schwer macht! Wenn man dann noch bedenkt, wieviele Internet-Anbieter es in Kassel gibt, die "Kassel" im Namen führen, wartet man jetzt auf die Prozeßwelle, die dort bald losbrechen muß!

 

(Ij)