Hessische/Niedersächsische Allgemeine

Nr.35

31.August 1997

 

Elektronic Shopping

 

Internet-Einkauf noch am Anfang

 

Das Internet als Vertriebsweg für Güter jeder Art – vorstellbar, doch in Deutschland halten sich die Kunden noch zurück.

 

Unternehmen und Handel träumen von gewaltigen Umsatzzuwächsen, die Kunden vom streßfreien Einkaufen: Der Handel per Internet, der allgemein als Electronic Commerce (EC) bezeichnet wird, soll den Warenaustausch grundlegend verändern. Ob sich Unternehmen direkt an die Verbraucher (Consumer-to-Business) wenden oder mit Geschäftspartnern (Business-to- Business) Handel betreiben, spielt dabei keine Rolle: Elektronischer Handel soll fester Bestandteil des Geschäftsleben werden. Bis zum Jahr 2010 könnte der Anteil des multimedialen Einkaufs auf bis zu acht Prozent des Umsatzes des Einzelhandels wachsen; bei einem geschätzten Jahresumsatz von 1200 Milliarden DM wären dies immerhin Waren im Wert von rund 100 Milliarden DM, so eine Untersuchung. Durch die Abwicklung der nach dem Kaufauftrag anfallenden Prozesse beispielsweise Rechnungsstellung, Fracht oder Inventur könnte der Onlinehandel nach Ansicht vieler Experten Kosten sparen und eine intensivere Kunden- betreuung erlauben. Diese wird angesichts jüngster Marketingentwicklungen immer wichtiger. Nach Ansicht von Fachleuten aus den USA liegt das Heil des Güterabsatzes in der direkten "One- To-One"-Kommunikation und nicht in der anonymen Ansprache eines Massenpublikums beispielsweise durch Fernsehwerbung. Der Onlinehandel bietet für die individuelle Ansprache gute Voraussetzungen: Daten können gesammelt, auf Personen zugeschnittene Angebote per E-Mail direkt verschickt werden. Zumindest für größere Unternehmen stellt sich nach Ansicht von IBM-Sprecher Hans- Jürgen Rehm die Frage, "ob es einen zusätzlichen Verkäufer einstellt oder einen elektronischen Shop eröffnet". Die Karstadt AG, seit einigen Monaten mit dem virtuellen Kaufhaus "My-World" im World Wide Web vertreten, ist mit rund 10 000 Besuchern pro Tag durchaus zufrieden. Vor allem Computer, Musik und Bücher seien gefragt, sagt Sprecherin Svea Kordt, T-Shirts verkauften sich hingegen eher schlecht. "Das wollen die Leute einfach noch einmal sehen und in die Hand nehmen." Günther Tolkmit, Marketingleiter der Walldorfer SAP AG, glaubt daher nicht an gewaltige Zuwachsraten beim Consumer-to-Business-Geschäft. Zumal, so Tolkmit, in Deutschland "einfach kein Internet-Klima" herrsche. Rosig sehe die Zukunft eher im Bereich des Business-to-Business- Handels aus. Allerdings beklagt Tolkmit, daß manchem deutschen Unternehmen die Risikobereitschaft fehle. Die Diskussion über mangelnde Sicherheit bei der Abwicklung von Zahlungen sei für ihn nicht nachzuvollziehen, garantiere doch auch ein Brief per Fax oder ein Telefongespräch keine hundertprozentige Sicherheit.

 

VON MARTIN TRAUTMANN

(dpa)