Internet

Ein Adressbuch ohne Papier

In einer neuen Serie stellen wir Menschen aus der Region vor, die das Internet für sich und andere als nützliches Informations, Kommunikations- und Unterhaltungs-Medium entdeckt haben.

HANN. MÜNDEN Einfach so "reingestürzt" hat er sich, der 37jährige Maschinenbau – Ingenieur Wolfgang Schimke aus Hann. Münden. Neugierig war und ist er. Das Internet hat ihn fasziniert. Das war Anfang 1995. Inzwischen gehört es in sein Leben genauso wie sein Kühlschrank, sein Auto, sein Telefon. Aber: "Alle haben komisch geguckt, für was ich soviel Geld ausgebe", sagt er. Denn: Lehrgeld hat er gezahlt. So um die 200 Mark pro Monat an Telefon-kosten mußte er anfangs blechen. Bereut hat er das nicht. Und mittlerweile sind die Ausgaben auch auf ein Maß gesunken, das den familiären Frieden nicht mehr negativ beeinflußt. Einfach gesucht hat der 37jährige anfangs im Netz. Zum Beispiel nach Menschen, die wie er Schimke mit Nachnamen heißen. Gefunden hat er dabei einen neuen Freund. Der heißt – natürlich – Schimke und mit Vornamen Jay, ist 45 Jahre alt, Schriftsteller, Unternehmensberater und wohnt in Phoenix/Arizona. Auf Jay Schimke in den Staaten wäre Wolfgang Schimke aus Deutschland ohne das Internet nie gestoßen. Unterdessen wird im Internet Familienforschung betrieben: Schimkes aus Australien und Ungarn, aus Schweden und den USA schreiben sich per Computer, fahnden nach gemeinsamen Wurzeln und finden sie vom Wohnzimmer aus. Wolfgang Schimke hat die Suche in Gang gesetzt am Schreibtisch in Hann. Münden. Und er sagt: "Jay in Amerika ist ein echter Freund geworden." Gesehen hat er ihn noch nie, aber gearbeitet hat er schon für ihn: Im Schedener Weg von Hann. Münden wurde eine Internet-Seite für den Unternehmensberater Jay Schimke in Phoenix/Arizona hergestellt. Bei Freundschaftsdienst, Ahnenforschung und Internet- Talk ist es nicht geblieben. Der Mündener Ingenieur und passionierte Läufer Schimke, der sein Geld als eigenständiger Unternehmer für Energie- und Umwelttechnik verdient, nutzt das Netz natürlich auch für sich: Er präsentiert seine Firma, seine Dienstleistungen und – quasi nebenbei – einen Sportkalender. Das Internet ist für ihn zur selbstverständlichen Image- und Werbeplattform geworden. Täglich hat er elektronische Post. Damit auch andere Post bekommen, hat Wolfgang Schimke das erste und bislang einzige e-mail-Adressbuch für die Region Hann. Münden pro- duziert. Immerhin: Knapp 200 Namen findet man, wenn man diese Seite aufruft. Kostenlos, versteht sich. Inzwischen kann man auch Kleinanzeigen aufgeben und darauf warten, daß irgendjemand beispielsweise eine gebrauchte Festplatte für den Computer benötigt, einen Wellensittich möchte oder Schreibdienste anbietet. "Alle reden vom WorldWide-Web", sagt Schimke. Aber darüber vergäßen fast alle, daß dieses Netz gerade auch regional Nutzen bringe.

"Die e-mail-Adresse von Bill Clinton kriegt man schnell ’raus", sagt der 37jährige. Aber die vom Nachbarn "findet man nur bei mir". Der Ingenieur setzt zwar auf Heimat. Aber zusammen mit Internet-Fan Michael Paetzold aus Hann. Münden hat er sich irgendwo in den USA Internet-Speicherplatz gemietet. Und jetzt können sich beide für weniger als 50 Mark im Monat so richtig im Netz ausbreiten.

VON JURGEN UMBACH