INTERNET

Surfen ist keine Frage des Alters

Zu alt, um sich noch mit Computerei zu befassen? Nein, sagen sich Senioren, die das Internet nicht allein der jüngeren Generation überlassen. Kommunikation steht dabei im Vordergrund.

World Wide Web, Cyberspace oder Hyperlink die Zeiten, in denen nur junge Computerfreaks die Bedeutung solcher Begriffe kannten, sind vorbei. Das weltumspannende Computernetzwerk Internet ist längst nicht mehr nur Tummelplatz von Studenten oder Unternehmen – auch ältere Menschen katapultieren sich immer öfter per Mausklick ins größte Datennetz der Welt. In ganz Deutschland bilden sich derzeit "Senioren ans Netz"- Gruppen. "Wer einmal Blut geleckt hat, bleibt dabei", erzählt der 57jährige Frührentner Jürgen Schmidbauer begeistert. "Mein Leben ist mit dem Internet lebendiger geworden." In München hat Schmidbauer mit Gleichgesinnten einen Internet-Treff ins Leben gerufen. Einmal im Monat versammeln sich hier Teilnehmer des "Senioren-Net" zum Erfahrungsaustausch. Im Alltag schicken sich die rüstigen Rentner zwischen 55 und 82 Jahren vor allem elektronische Briefe (E-Mails). Statt Kaffeekränzchen ist der Plausch per Mausklick angesagt: "Uns geht es weniger ums Surfen im Web, als um die Kommunikation", sagt der Internet-Fan. Er und seine Mitstreiter hätten schon viele neue Bekanntschaften gemacht. Ein Stück Selbstverwirklichung sei auch dabei. Gleichzeitig werde aber auch so mancher Altersgenosse aus seiner Isolation befreit, so Schmidbauer.

"Elektropost" verbindet

Auch die 79jährige Hilla Wirth aus Bielefeld ist seit fast einem Jahr online. "Ich habe eine Schwäche dafür", bekennt sie. Bis zu vier Stunden täglich sitzt sie am Computer, stöbert im World Wide Web oder verschickt "Elektropost". Um die Telefonkosten niedrig zu halten, hat sie ihre Internet-Aktivitäten in die Abendstunden verlegt. "Es ist eine tolle Sache, Menschen aus aller Welt kennenzulernen." Viele ihrer E-Mail-Bekanntschaften – darunter ein 18jähriger Abiturient, eine 32jährige Motorradfahrerin und drei Frauen. aus Amerika – hat Hilla Wirth mittlerweile sogar persönlich getrof f en. Das "Netz der Netze" hält für ältere Menschen inzwischen ein beachtliches Angebot parat: Von Diskussionsforen und Kochrezepten über die Bettenbörse in Behinderten- und Seniorenstiften bis hin zu Informationen über Reisen, Mode oder Haushaltshilfen findet sich so ziemlich alles.

Sogar das Seniorenstudium per Internet wird online offeriert. Auf ihren eigenen Seiten im Web, den sogenannten Homepages, präsentieren Rentner der übrigen Web-Gemeinde die eigenen Hobbys oder werben für den Chor, in dem sie seit langem Mitglied sind. Senioren im Internet sind nach Aussage des Karlsruher Informatik-Professors Werner Zorn in Deutschland allerdings noch immer die Ausnahme. Ei- ner Umfrage seines Institutes zufolge sind nur fünf Prozent der gut drei Millionen Internet- Anwender über 50. Die Gruppe der über 60jährigen machte sogar nur ein Prozent aus. Zorn macht dafür zwei Umstände verantwortlich: Zum einen sei der Zugang zum Internet in Deutschland vergleichsweise teuer. Das schrecke viele ab. Zum anderen sei bei der älteren Generation – anders als zum Beispiel in Skandinavien – eine gewisse "Technikabgewandheit" stark verbreitet. "Alte Menschen kokettieren oft sogar mit ihrem Desinteresse an moderner Technik", sagt Zorn. "Die meisten denken sich: Das sollen mal lieber die Jungen machen." (dpa)

VON MARION KRASKE