Hessische/Niedersächsische Allgemeine

Donnerstag, 17. Juli 1997

Leserbrief

Nicht verstanden wie Internet funktioniert

Wenn Herr Henkes sich darüber amüsiert, daß jetzt auch die Australier via Internet die Öffnungszeiten der hiesigen Bibliothek lesen können und daraus folgert, daß eine lokal begrenzte Veröffentlichung sinnvoller sei als die Hofgeismarer Internetpräsenz, dann hat er nicht verstanden, wie das Internet funktioniert.

Das Internet ist nämlich zugleich global und lokal, d.h. es macht keinen Unterschied, ob man die Informationen von Hofgeismar oder von Sidney aus abruft, die Kosten für den Benutzer sind immer nur lokal (z.B. Telekom und T-Online zum Ortstarif). Die laufenden Kosten für den Betrieb einer Homepage sind auch nicht höher als wenn sie nur lokal erreichbar wäre, also macht eine Insellösung wirtschaftlich keinen Sinn.

Was wäre denn z.B., wenn der Australier Urlaub in Hofgeismar machen wollte? Dann könnte er sich via Internet schon mal einstimmen (sinnvoll wäre also auch eine englischsprachige Ausgabe!).

An einem Punkt muß ich Herrn Henkes jedoch Recht geben: der Preis von 5300,- DM für die Erstellung der Hofgeismarer Seiten durch HessenNet ist überzogen, weil es sich um ein Standard-Layout handelt, das nur mit den von der Stadt gestellten Materialien gefüllt werden mußte. Für ein individuelles Layout wäre der Preis hingegen angemessen und verglichen mit einem ähnlichen Umfang an gedruckten Prospektmaterialien nicht überzogen. Es ist also zu fragen, ob die Stadt Hofgeismar es versäumt hat, andere Angebote einzuholen.

Was nun das Interesse der örtlichen Wirtschaft am Internet betrifft, so scheint dies eher zu steigen. Sicher ist, daß jede Firma, die überregionale Geschäfte machen kann, gut beraten ist, auch im Internet zu werben, zumal es für kleine und mittlere Unternehmen jetzt Fördermittel vom Bundesministerium für Wirtschaft gibt. Info beim BAW Frankfurter Str. 29-31, 65760 Eschborn (Bewilligungsbehörde). Die Antragsstellungsfrist gilt bis zum 31.03.98.

Zur Präsentation Hofgeismars im Internet müßte man ehrlicherweise noch ein paar zusätzliche Angaben machen:

Die heute vorgestellten Internetseiten sind lediglich die ersten offiziellen Internetseiten der Stadt Hofgeismar. Bereits im Vorfeld der Bürgermeisterwahl hatten die Grünen Hofgeismar ins Internet gebracht und seit März diesen Jahres gibt es unter http://www.hofgeismar.de eine inoffizielle Hofgeismar-Seite von HessenNetz. HessenNet ist also nicht der Erste.

Dass die Stadt sich für das Konzept von RegioNet/HessenNet entschieden hat, dürfte wohl daran liegen, dass sie an der Gesellschaft beteiligt ist, jedenfalls wurden offenbar keine weiteren Angebote eingeholt. Ich halte jedenfalls die Summe von 5300,- DM für stark überzogen, wenn man bedenkt, daß es sich bei den Seiten um ein Standard-Layout handelt, das auch für andere Kommunen verwendet wird, also Entwicklungsarbeit gespart wird. Zudem kommen noch laufende Kosten hinzu, die im Artikel nicht genannt werden.

Die Argumentation, dass ein kleinerer lokaler Anbieter die Chancen, Hofgeismar im Internet zu finden, verschlechtert hätte, ist an den Haaren herbeigezogen und widerspricht dem Suchverhalten der Internet-User, die nämlich zuerst nach http://www.hofgeismar.de suchen und danach einen der vielen Internet-Suchroboter konsultieren würden. Ausserdem gibt es im Internet keine lokalen Anbieter, da alle Informationen weltweit verfügbar sind. Der Oberbegriff "Hessen" führt im übrigen nicht direkt zu HessenNet, sondern wohl eher zu http://www.hessen.de, also den offiziellen Landesseiten.

Was jedoch m.E. viel schwerer wiegt, ist das seit den ersten Testseiten nicht veränderte Faktum, dass man unter Aktuelles mit einem Klick auf den Begriff Politik ohne Vorwarnung gleich auf der SPD-Seite landet. Hat die ach so professionelle HessenNet-Mannschaft, die es auch noch nicht geschafft hat, das Logo von RegioNet zu ändern, obwohl schon auf dem Hessentag mit HessenNet geworben wurde, es einfach vergessen, hier eine Leitseite einzubauen oder ist es der politische Wille, daß Politik mit SPD gleichgesetzt wird?

Bei allem Lob, mit dem dieses Projekt überschüttet wird, drängt sich mir der Verdacht auf, daß hier ein Unternehmen kostenlos Werbung machen kann, weil etliche der Kunden und Unterstützer von der Materie kaum Ahnung haben.

Gerhard Quanz